Staatliches Hochbauamt Karlsruhe / Betriebsleitung
Bundeswehrfachschule, Karlsruhe
„Es ist mal was fertig geworden.“
Mit diesen Worten begrüßte der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Dr. Hans-Peter Bartels die Gäste der Veranstaltung anlässlich der Einweihung der Bundeswehrfachschule Karlsruhe. Es sei sehr schön geworden. Er hob die Bedeutung von Bildung als unglaublichem Attraktivitätsfaktor für die Bundeswehr hervor. Keine andere Institution in Deutschland böte so viel an Bildungsmöglichkeiten.
Neubau Bundeswehrfachschule
Ein Projekt mit Vorbildcharakter
Das Konzept der Entwurfsidee wurde aus der Analyse des Baugrunds und seinen prägenden Außenbezügen entwickelt. Das Ergebnis ist ein dreiflügeliger Schulbau, dessen Seiten mit dem jeweiligen Gegenüber "Stadt - Wald - Kaserne" kommunizieren. Zugleich erinnert die Propeller-Form des Neubaus in ihrer Ausformung auch an die ehemalige Funktion der Kaserne als Liegenschaft der Luftwaffe.
Über die Konzeption einer 3-geschossigen Raumverteilung mit kurzen Wegen der inneren Erschließung konnte das Gebäude minimiert auf dem Baufeld abgesetzt und die fast parkartigen Liegenschaft damit maximal geschont werden.
Die beiden Obergeschosse übermitteln aufgrund ihrer großzügigen Transparenz einen schwebenden Eindruck und nehmen mit dieser Leichtigkeit alle Unterrichtsfunktionen in sich auf. Das teilweise zurückgesetzte Erdgeschoss stellt sich deutlich massiver dar und bildet somit auch thematisch, durch die Aufnahme der zentralen und "öffentlichen" Funktionen, die Basis des Gebäudes. Das Untergeschoss beinhaltet alle erforderlichen technischen Funktionsbereiche.
Der Haupteingang führt direkt zum zentralen Atrium, welches nicht nur wegen seines großzügigen Luftraums und des lichtdurchlässigen Folienkissendachs, sondern auch aufgrund der Platzierung und Farbgebung des Kunst am Bau-Objekts "Tapes" das Herz des Gebäudes darstellt. Aus dieser rund 70qm großen Bodenkunstarbeit erhebt sich die mit unterschiedlichen Radien imposant modellierte Atriumstreppe und ermöglicht durch ihre folgerichtige Positionierung eine schnelle und kurzfristige Erreichbarkeit aller Gebäudeflügel.
Das Thema einer großflächigen und durchgängigen Transparenz bietet an vielen Bereichen des Gebäudes attraktive Blickbezüge in den umgebenden Naturraum des Hardtwaldes. Lernen im Grünen wird somit zum festen Bestandteil täglicher Unterrichtsgestaltung.
Die Fassaden bleiben trotz ihrer wertigen Außenbezüge klar und zeitlos. Gezielt platzierte Öffnungsmöglichkeiten sollen in allen Räumlichkeiten das moderne Lüftungskonzept auf natürliche Weise ergänzen. Auskragende Decken (thermisch getrennt) erleichtern als breit umlaufende Flächen nicht nur einfache Wartungsarbeiten, sondern bieten vor allem einen zusätzlichen baulichen Schutz vor Sonneneinstrahlung. Im Bereich der Flügelenden werden darüber hinaus begehbare Balkone angeboten.
In den Räumlichkeiten dominieren helle Farben und haptisch angenehme Oberflächen. Naturbelassenes Eichenholz und weiße HPL-beschichtete Holzwerkstoffplatten korrespondieren mit hellgrauen Sichtbetonwänden, deren strukturstarke Brettschalung das Holzthema auf angenehm weiche Art wiederspiegeln. Im Erdgeschoß empfängt ein zartbeiger Terrazzoboden die Schulbesucher und betont mit seiner Eleganz die Wertigkeit des Gebäudes. In den Obergeschoßen und im Bereich der Schulverwaltung wurde ein farblich angepasster Kautschukbelag gewählt.
Die akustisch wirksamen Streulochdecken sind im gesamten Gebäude in weiß gehalten. In den Fluren lösen sich diese -scheinbar schwebend- von den Sichtbetonwänden, ein Effekt erzeugt durch im Deckenabschluss gefertigte Lichtvouten.
Claudia und Julia Müller, Tapes, 2019
Kunst am Bau
Für diesen Neubau wurde ein Kunst-am-Bau-Wettbewerb als einstufiger begrenzt-offener Realisierungswettbewerb in Anlehnung an die Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW 2008), gemäß Leitfaden Kunst am Bau und als kooperatives Verfahren durchgeführt. Die Auswahl der Teilnehmer erfolgte im Einladungsverfahren. Die Künstlerinnen Claudia & Julia Müller, Basel, gingen mit Ihrer Arbeit "Tapes" aus diesem Wettbewerb als Gewinner hervor.
Auszug aus der Projektbeschreibung
Tapes (Diesmal handelt es sich nicht um das englische Wort [tæps], was auf deutsch übersetzt Bänder oder Kassetten heißt, nein, der Begriff geht auf das altgriechische Wort [tapes] zurück, welches als Lehnwort aus dem Persischen mit "bedecken" zu übersetzen ist.)
Das zentrale Atrium bildet einen wichtigen Ort im gesamten Gebäude, den die Schülerinnen und Schüler mehrfach täglich frequentieren; ein Ort der Bewegung und des kurzfristigen Pausierens.
Ideal für eine künstlerische Intervention: einen Teppich - aus Terrazzo. Teppiche sind meistens gemusterte Gewebe, die seit dem Altertum zum Bedecken von Fußböden dienen. In der vielseitigen Verwendung sind und bleiben sie ein wichtiges Kulturgut und blicken auf eine lange Geschichte zurück. Ein Teppich zeichnet den Raum und vermittelt der Flüchtigkeit des Passierens einen Moment des Innehaltens. Ein Teppich kann eine wohnliche Stimmung verbreiten und den Raum atmosphärisch aufladen. Ein Teppich hält den Raum zusammen und schafft ein kleines Zentrum.
Die Künstlerinnen planen einem übergroßen Fransenteppich aus farbigen Terrazzokacheln in der Grösse von 10,5 x 6,5 m, eingelegt in den bauseitig definierten hellen Terrazzoboden. Das Muster des Bodenmosaiks soll aus 7 verschiedenen Kachelgrößen entstehen, die frei aneinander geordnet werden. Für die Herstellung dieser Formen werden ca. 10 Farben bestimmt, die anschliessend von der ursprünglichen Zeichnung in das Mosaik überführt werden.
Das transformierte Motiv im Boden stellt den Raum in einen anderen Zusammenhang und stößt eine Diskussion über die Bedeutung und Verhältnis von Freizeit, Privatheit und Wohnen gegenüber Beschäftigung und Arbeit an. Unangestrengt zwischen figurativer Darstellung und abstraktem Muster bewegend, soll der Terrazzoteppich in den Raum hineingelegt werden. In der lockeren Darstellung der Zeichen und der verschieden gemalten Farben (blau und gelb) stellt sich das Motiv in eine dynamische Spannung zu der strukturierten und organisierten Architektur. In der Überdimensionalität der Fransen entpuppt sich ein Spiel mit der Entfremdung der Materialität und der Massstäblichkeit eines echten Teppichs. Dieses Spiel kann in der Eingangshalle von unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen werden. Im Bildungskontext und den heutigen digitalen und industriellen Fertigungsmethoden zeigt das Moment des Handgefertigten eine untypische Entschleunigung auf und schafft eine spannende und überraschende Herausforderung.
Als malerisches Zeichen bindet das Motiv den Raum mit den verschiedenen Ein-, Durch- und Aufgängen zusammen und lässt gleichzeitig freie Assoziationen zu, die aufgrund der ungewöhnlichen Verortung des Teppichs entstehen. Die Besucher und Besucherinnen mit ihren unterschiedlichen Biographien können dieses überraschende Bild als mentales tief positives Zeichen lesen, welches wiederum dem Gebäude eine Identität verleiht.
Bauherr
Bundesrepublik Deutschland
vertreten durch
Bundesministerium der Verteidigung
vertreten durch
BAIUDBw KompZ BauMgmt
vertreten durch
Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Bundesbau Baden-Württemberg, Staatliches Hochbauamt Karlsruhe
Nutzer
Bundeswehr
Planung und Umsetzung
Architektur: v-architekten gmbh, Köln
Objektüberwachung: WENZEL + WENZEL Partnerschaft, Karlsruhe
Freianlagenplanung: club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Köln
HLS Planung: Engineering Consult GmbH, Karlsruhe
Elektroplanung: Planungsbüro Gantert und Braun GmbH, Oberhausen-Rheinh.
Bauphysik: KREBS+KIEFER Ingenieure GmbH, Karlsruhe + Dresden
Gebäudedaten
Bauzeit: 03/2017-07/2019
Nutzfläche: 3.100 m²
Gesamtbaukosten: 14,899 Mio. Euro
Auszeichnungen
Hugo-Häring-Auszeichnung 2020