Staatliches Hochbauamt Karlsruhe / Betriebsleitung
Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist als Verfassungsorgan eine der wichtigsten staatlichen Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Sein Gebäude wurde in den Jahren 1965 bis 1969 nach dem Entwurf des Berliner Architekten Prof. Paul Baumgarten errichtet. Langjähriger Betrieb, Komfortmängel und eine Analyse der Bausubstanz brachte die Notwendigkeit der baulichen und energetischen Sanierung sowie der Optimierung der thermischen Behaglichkeit im Gebäude zum Vorschein.
Das gemeinsame Ziel, das Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Ensembles zu erhalten und es trotzdem für die weitere Nutzung optimal und nachhaltig auszurüsten, machte die Umsetzung der Maßnahmen an vielen Stellen zu einer besonderen Herausforderung.
Grundsanierung
Drei Jahre Gesamtsanierung
Das gemeinsame Ziel, das Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Ensembles zu erhalten und es trotzdem für die weitere Nutzung optimal und nachhaltig auszurüsten, machte die Umsetzung der Maßnahmen an vielen Stellen zu einer besonderen Herausforderung.
Die markant transparente Fassade mit Holzfenster aus Red Oregon Pine und Einfachverglasung - ein wesentliches Merkmal des Ensembles - konnte aus energetischen Gründen nicht erhalten bleiben. Anstelle der Einfachverglasung kam eine Doppelverglasung zum Einsatz - ohne reflektierende Beschichtung - um die Transparenz zu wahren.
Trotz der dadurch höheren statischen Anforderungen wurden die Fensterelemente in gleichem Material und Dimension für alle Gebäudeteile neu gefertigt. Anstatt der ursprünglichen Betonbrüstungen wurden vollgedämmte Sandwichpaneele eingebaut. Bis zum Einbau der neuen Fassade waren jedoch viele Abstimmungen und Entscheidungen notwendig, Musterfassaden wurden hergestellt, im Labor und vor Ort getestet und optimiert. Beim Einbau der endgültigen Elemente wurden Anpassungen bis auf den Rohbau vorgenommen: Stahlbetondeckenkanten mussten an vielen Stellen einige Zentimeter gestutzt werden, da die damaligen Bautoleranzen sehr groß waren und die neuen, industriell gefertigten Fassadenelemente keine Anpassungen vor Ort zuließen. Im Brüstungsbereich strahlen jetzt wieder die Aluminiumgusstafeln, die zum Neubau des Gerichtsgebäudes in den 60er Jahren als aufwendige Spezialanfertigung in hoher kunsthandwerklicher Qualität Tafel für Tafel hergestellt wurden. Sie wurden während der Sanierung abgenommen, gereinigt und mit verstärkter Befestigung wieder montiert.
Auch im Innern der Gebäude wurde kräftig Hand angelegt. Die Gebäude zeigten sich während der Bauphase bis auf den Rohbau entkernt, an manchen Tagen lag sogar Schnee in den Fluren des Gerichts. Im Vorfeld wurde der Komplex umfangreich auf Schadstoffbelastung untersucht. In allen erreichbaren -auch in den von der eigentlichen Sanierung nicht betroffenen Bereichen- wurde daraufhin eine Schadstoffsanierung durchgeführt. Große sichtbare Veränderungen blieben aber aus. Allein die wenigen Bereiche, deren ehemalige Nutzung zukünftig wegfallen, wurden funktional umgestaltet: wenige zusätzliche Büroräume, ein Besprechungsraum sowie eine Cafeteria und Ausstellungsbereich entstanden auf diese Weise.
Die maßgebenden Neuerungen fanden im unsichtbaren Bereich statt. Stahlstützen wurden abgeschliffen und neu beschichtet, um den Brandschutz zu gewährleisten. Kühldecken wurden eingebaut, eine neue Lüftungsanlage und eine neue Raumakustik mit Lautsprecheranlage sind im Sitzungssaal zum Einsatz gekommen. Die komplette technische Gebäudeausstattung wurde auf aktuellen Stand gebracht. Für die vielen Neuinstallation der Haus- und Kommunikationstechnik boten die Decken nur wenig Platz - eine weitere Herausforderung für die Planer - zusätzlich notwendige Bohrungen in Trägern mussten in den meisten Fällen einzeln statisch nachberechnet werden. Zusätzlich zu den verbesserten Energiewerten aufgrund der neuen Fassade schaffen automatisch gesteuerte Sonnenschutzlamellen und eine hocheffiziente LED-Beleuchtung eine optimale Arbeitsatmosphäre.
Das Rotterdamer Büro West 8 entschied 2012 den internationalen Wettbewerb, der für die Neukonzeption der Außenanlagen ausgelobt wurde, für sich - alle Außenbereiche des Gebäudeensembles wurden zusammenfassend neu überarbeitet.
Für die Kunst am Bau wurde ein ebenfalls hochrangiger Wettbewerb durchgeführt, aus dem der an der Kunstakademie in Karlsruhe lehrende Künstler Prof. Franz Ackermann als Sieger hervorging. Er gestaltete Teile der Flurwände im Richtergebäude mit großformatigen, farbigen Wandgemälden.
Kunst am Bau
Professor Franz Ackermann, ohne Titel, 2014
Die Sanierung des lichten, ganz der Transparenz verpflichteten Gebäudekomplexes des Bundesverfassungsgerichts wurde so subtil und denkmalgerecht durchgeführt, dass sie für Außenstehende kaum wahrnehmbar ist. Allein dem Kunst am Bau-Beitrag blieb es vorbehalten, sich aus der Strenge des zurückhaltenden Farb- und Materialkonzepts zu lösen und sich frei, auch kontrapunktisch mit der Architektur des Bundesverfassungsgerichts auseinanderzusetzen. Diese künstlerische Herausforderung wurde Franz Ackermann (geb. 1963 in Neumarkt-St. Veit) übertragen. Der in Berlin lebende und an der Kunstakademie Karlsruhe lehrende Künstler konnte den im Rahmen der Grundsanierung durchgeführten Kunst am Bau-Wettbewerb für sich entscheiden, an dem auch Carsten Höller, Olafur Eliasson, Olaf Nicolai, Martine Feipel und Jean Bechameil und Hans-Peter Feldmann teilgenommen haben.
Stefanie Lampert, Wand-Relief-Farbe, 2008
Dass Farben, ihre Wirkung und Leuchtkraft, sich je nach Belichtung stark verändern – dieses Phänomen nutzte die Karlsruher Künstlerin Stefanie Lampert in ihrem Kunst am Bau-Beitrag für das Treppenhaus des Erweiterungsbaus des Bundesverfassungsgerichts.
Bauherr
Bundesrepublik Deutschland
vertreten durch
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
vertreten durch
Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Bundesbau Baden-Württemberg, Staatliches Hochbauamt Karlsruhe
Nutzer
Bundesverfassungsgericht
Planung und Umsetzung
Entwurf: Assem Architekten, Karlsruhe
Technische Gebäudeausrüstung: Carpus+Partner AG, Ulm/Aachen
Tragwerksplanung: Büro für Baukonstruktion, Karlruhe
Prüfstatik: Schumer+Kienzle, Karlsruhe
Fassadenplanung: Roland Stölzle, Stuttgart und Plan Quadrat, Karlsruhe
Bauphysik: Bayer Bauphysik, Fellbach
Außenanlagen: West 8, Rotterdam
Schadstoffsanierung: Sachverständigenbüro Dr. Sedat
Vermessungsarbeiten: COS Geoinformatik
Projektsteuerung: Thost Projektmanagement, Pforzheim
Gebäudedaten
Bauzeit: 08/2011-08/2014
Nutzfläche: 10.086 m²
Gesamtbaukosten: rd. 55 Mio. Euro
Auszeichnungen
Anerkennung Deutscher Architekturpreis 2015 der Bundesarchitektenkammer
Nominierung zum Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg 2016
Hugo-Häring-Auszeichnung 2017 des BDA Baden-Württemberg
Auszeichnung Beispielhaftes Bauen 2018 durch die Architektenkammer Baden-Württemberg